Projekt „Munich Central“

 

Unter dem Motto Munich Central starteten die Münchner Kammerspiele ihr Stadtraumprojekt 2010. Thema des Projekts: Das Stadtviertel rund um den Münchner Hauptbahnhof. Als Festivalzentrale wurde ein ehemaliger Supermarkt angemietet in dem sich seitdem das „Import-Export“ befindet. Matthias Weinzierl wurde als erster Platzhalter in den Projektraum gesetzt und er hatte die Aufgabe als verantwortlicher Redakteuer einen Atlas zum Bahnhofsviertel zu erarbeiten und Kontakte zu den AkteurInnen zu knüpfen. Dazu das Editorial des Munich Central Atlas

Munich Central: Weltenverbund Bahnhofsviertel

Die Idee ist bestechend einfach: Im südliche Bahnhofsviertel sollte eine temporärer Freiraum entstehen, von dem aus wir erkunden wollten, wie das Viertel tickt, wer hier lebt, arbeitet und ausgeht, was gerade im Kommen und was vom Aussterben bedroht ist.

Anfang März haben wir daher den ehemaligen türkischen Supermarkt Can Tikaret in der Goethestraße 30 bezogen und inmitten einer zugigen Baustelle unsere Erkundungsarbeit aufgenommen. Der Laden selbst erfuhr in den zurückliegenden Monaten die Wandlung von einem heruntergekommenen leerstehenden Ladenlokal zu einem heimeligen Begegnungszentrum mit Teppichboden, Ausstellungsfläche und Tagescafé. Wir hingegen wandelten uns zu immer konfuser und launisch agierenden Wesen – angesichts der Fülle an Personen, Geschichten und Erlebnissen die sich tagtäglich bei uns im Laden einfanden.

Zudem wurde unser neuer Freiraum von einer Gruppe in Beschlag genommen, mit der niemand von uns gerechnet hatte: den bulgarischen Tagelöhnern. Direkt vor unserer Ladentür befindet sich der Arbeiterstrich, d.h. eine große Gruppe bulgarischer Männer und Frauen steht hier tagtäglich auf der Straße und wartet auf Arbeit. Sie fallen auf, sind im Viertel nicht gern gesehen und werden ständig kontrolliert und verscheucht. Bei uns finden sie ihren Platz und von da an spielen sich alle unsere Aktivitäten inmitten einer Gruppe von 30 bis 40 erschöpften Menschen ab, die einfach nur dasitzen und sichtbar froh sind, dass sie hier sein dürfen. Plötzlich haben wir einen Einblick in eine dieser unbekannten Parallelwelten, von denen es im Viertel so viele gibt.

Mit dem vorliegenden Atlas-Büchlein wollen wir Ihnen einen kleinen Zugang zu diesen Weltenverbund Bahnhofsviertel verschaffen. Im Atlas kommen ViertelbewohnerInnen, UnternehmerInnen, Metzger, Tagelöhner, Theatermenschen, KünstlerInnen, StudentInnen, Nachtmenschen und StadtplanerInnen zu Wort – eine hoffentlich anregende Mischung. Wir zeigen Ihnen die gesellschaftlichen Brüche im Viertel, sprechen über die drohenden Vorboten der Gentrifizierung, aber wir werden Ihnen nicht das südliche Bahnhofsviertel erklären – ganz im Gegenteil. Wir wollen mit unserem Atlas Ihre Neugier auf das Viertel und unser Festival wecken und Ihnen Lust machen, diesen spannenden, für München so untypischen Ort für sich selbst zu entdecken.